Natürlich smart – Wie digitale Technologien die Landwirtschaft verändern

Die digitale Transformation der Landwirtschaft spielt sich sowohl im Stall als auch auf dem Feld ab – mittels Kameras, Chips, Sensoren und mit modernen Landmaschinen. Und in Form von Daten, dank denen sich die Arbeit gezielter und effizienter bewerkstelligen lässt.

Autonom agierende Maschinen können schon heute einen großen Teil der im Stall anfallenden Arbeit erledigen. Ein selbstfahrendes Reinigungsgerät entmistet den Boden, während der Landwirt am Computer Ertragsanalysen auswertet. Zum Melken trotten die Kühe nicht nur selbstständig in den Melkstand, auch die Abnahme der Milch erfolgt autonom. Gleichzeitig werden die Tiere gezielt mit Kraftfutter versorgt. Möglich wird dies durch internetfähige und hochrobuste Sensoren, die sie am Körper tragen. Auch die Bewegung der Tiere, ihr Schlafverhalten, ihre Temperatur und andere medizinische Parameter werden so erfasst. Im Stall der Zukunft überwachen diese Daten vielleicht noch mehr als die Gesundheit der Tiere. Laut Heinz Bernhardt, Professor für Agrarsystemtechnik an der Technischen Universität München in Weihenstephan, könnte auch der Verbraucher profitieren: Durch die Herstellung kuhindividueller Milch im Zusammenspiel mit einer ebenfalls autonomen Molkerei sei es denkbar, spezielle Verbraucherbedürfnisse zu bedienen. Denn die Zusammensetzung der Milch, ihre Verträglichkeit und potenzielle Zusatznutzen, wie ein besonders hoher Melatoningehalt für besseres Einschlafen, wären dann direkt auf der Milchtüte abgedruckt.

„Rein technisch lässt sich ein Kuhstall bereits heute ohne Menschen be­treiben.“

Prof. Dr. Heinz Bernhardt, Professor für Agrarsystemtechnik

Glaubt man dem Professor, ist dieses Szenario viel näher, als manche denken. „Rein technisch lässt sich ein Kuhstall bereits heute ohne Menschen betreiben.“ Mindestens 50 Prozent aller neu verkauften Melkanlagen sind seiner Schätzung nach bereits automatisiert und auch die an überdimensionale Staubsaugerroboter erinnernden Geräte zur Stallreinigung sind längst verfügbar. Genauso sind Kameras, Mikrofone und Chips an Tieren schon Alltag im Stall. Wenn man Bernhardt fragt, ob all diese autonomen und smarten Technologien nicht viele Arbeitsplätze gefährden, lacht der ansonsten nüchtern und fundiert dozierende Agrarwissenschaftler. „Das Gegenteil ist der Fall“, sagt der Professor, der gemeinsam mit seinem Vater den 140-Hektar-Betrieb bewirtschaftet, auf dem er aufgewachsen ist. „Die Technik bekämpft den massiven Arbeitskräftemangel in der Landwirtschaft.“


Damit benennt Bernhardt eines der wichtigsten Argumente für die fortschreitende Automatisierung. Dass sie im Stall weiter fortgeschritten ist als davor, hat vor allem juristische Gründe: Da es riskanter ist, Roboter im Freien fahren zu lassen, verhindert bislang das europäische Haftungsrecht, dass autonome Traktoren allein das Feld bestellen. In Japan ist dies bereits üblich, doch das Thema ist auch für Europa relevant, wie beispielsweise Forschungsaktivitäten an der Universität Hohenheim oder der Berliner Humboldt-Universität zeigen.

Smarte Technologien ermöglichen Nachhaltigkeit und Arbeitsentlastung

Ohnehin ist die Automatisierung nur einer von mehreren Teilbereichen, die sich unter dem Begriff Smart Farming subsumieren lassen. Weitere sind die sensorgestützte Beobachtung von Pflanzen und Tieren sowie die daraus resultierende hochpräzise Bearbeitung von Feldern oder die Behandlung von Tieren. Der optimale Nutzen ergibt sich aus der Kombination dieser Möglichkeiten, wie Jörg Migende, Head of Digital Farming bei der auf Agrarhandel und -dienstleistungen spezialisierten BayWa AG, erklärt. Ihm zufolge spielen dabei neben autonomen Landmaschinen auch Daten und Algorithmen eine wichtige Rolle. „Sie ermöglichen es den Maschinen, und damit dem Landwirt, nachhaltiger zu produzieren“, sagt Migende.

Während die soziale Komponente des Smart Farming eng mit der Automatisierung verbunden ist, die Landwirte von täglicher harter Arbeit entlastet, kommt für Ökologie und Ökonomie auch die Präzisionslandwirtschaft ins Spiel. Als Beispiel nennt Migende die teilflächenspezifische Düngung: Denn je zielgerichteter Landwirte chemischen oder organischen Dünger ausbringen, desto geringer sind Umweltbelastung – beispielsweise durch Nitrat – und Kosten. Das Gleiche gilt für andere Ressourcen. Präzise funktionieren kann das aber nur, wenn genau bekannt ist, wie viel Dünger, Wasser oder Pflanzenschutzmittel zu einem Zeitpunkt auf einem Feldbereich nötig sind, damit bestimmte Pflanzen wie gewünscht wachsen. Diese Menge wiederum hängt von verschiedensten Faktoren ab: Wie ist der Zustand der Pflanze? Welche Schädlinge bedrohen sie? Wie war und wird das Wetter?

Effizientes Bewirtschaften von Feldern mittels Daten

Die Antworten auf diese und andere Fragen liefern Satelliten, Drohnen sowie Sensoren an Fahrzeugen oder im Feld. Die immer genauere sogenannte Fernerkennung via Satellit oder Drohne erlaubt es Landwirten etwa, Schädlingsbefall oder Erträge besser abzuschätzen und Pflanzenschutz- oder Düngemittel exakter auszubringen. Eine hochpräzise und damit nachhaltigere Bewirtschaftung der Felder ist das Ziel von ConstellR, einem „Start-up, das mit einer eigenen Satellitenflotte aus dem All die Bodengesundheit misst“, erklärt der Bundesminister für Landwirtschaft und Ernährung Cem Özdemir. Die Gründer wollen so den Wassereinsatz in der Landwirtschaft verbessern. Das Projekt wird durch den Forschungstransfer „Exist“ des Ministeriums gefördert.

Autonom fahrende Pflanzenschutzspritze auf einem Feld der Versuchs­station Berge des Instituts für Agrar- und Stadtökologische Projekte an der Humboldt-Universität zu Berlin (IASP)

Mithilfe der auf unterschiedlichen Wegen erhobenen Daten berechnen Algorithmen und künstliche Intelligenz die benötigte Menge an Dünger, Pflanzenschutzmittel oder Wasser und geben diese an flexibel dosierende Landmaschinen weiter. „Zugleich ermöglichen diese Daten betriebswirtschaftliche Auswertungen sowie eine genaue Dokumentation, die den immer anspruchsvolleren staatlichen Vorgaben entspricht“, sagt Migende, der entsprechende Software-Systeme aus dem eigenen Konzern kennt: 2017 übernahm die BayWa AG die Mehrheit am Agrar-Start-up Vista, in dem mittlerweile 30 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Datenmodellen für den kombinierten Einsatz von Satelliten-, Boden- und Wetterdaten arbeiten.

In Zukunft kann die immer bessere Sensorik genug Daten liefern, um „digitale Zwillinge“ von Feldern, Pflanzen oder Tieren zu erstellen, also digitale Modelle, in denen Maßnahmen virtuell getestet werden können. „Damit lassen sich unterschiedlichste Einflussfaktoren bewerten und Analysen vorwegnehmen, die bislang im Nachhinein erfolgen“, erklärt TUM-Professor Bernhardt. Der Landwirt könnte dann beispielsweise am digitalen Zwilling virtuell durchspielen, ob der Einsatz eines Düngers den gewünschten Nutzen bringt.

Marktwachstum und Investitionen unterstreichen Potenziale

Analog zu den möglichen Anwendungen entwickeln sich die Wachstumsaussichten von Smart Farming. „Der Markt ist nahezu unendlich groß und deutsche Hersteller spielen bislang eine führende Rolle“, sagt Migende. Zu ihnen gehört auch die Firma Claas aus dem nordrhein-westfälischen Harsewinkel bei Bielefeld. Als einer der führenden Landtechnikhersteller weltweit konnte das Unternehmen seinen Umsatz im Geschäftsjahr 2021 um 19 Prozent auf rund 4,8 Milliarden Euro steigern. Global betrachtet könnte das Marktvolumen laut BIS Research bis 2026 auf mehr als 34 Milliarden US-Doller ansteigen. Dabei spielen sowohl Hard- als auch Softwarelösungen eine wichtige Rolle.

„Der Markt ist nahezu unendlich groß und deutsche Hersteller spielen bislang eine führende Rolle.“

Jörg Migende, Head of Digital Farming bei BayWa AG

Deren Relevanz bestätigte auch eine repräsentative Bitkom-Umfrage von 2022. Demnach nutzen rund 80 Prozent der befragten Landwirte bereits mindestens eine digitale Technologie bzw. ein digitales Verfahren, darunter GPS-gesteuerte Landmaschinen, Drohnen und Roboter sowie Apps und Farm- bzw. Herdenmanagementsysteme.

Was Landmaschinen und sonstige Technologien für den Einsatz auf dem Feld und im Stall angeht, spielt die Robustheit eine besonders wichtige Rolle. Die Chips, Sensoren und hochpräzise funktionierenden elektrischen und elektrotechnischen Komponenten müssen widrigsten Bedingungen standhalten – mitunter an Tieren oder unter der Erde. Daher ist ein individuell angepasster und zuverlässiger Schutz essenziell für Smart-Farming-Technologien. Diesen bieten die maßgeschneiderten Produkte von Wevo, zum Beispiel für den Verguss und die Verkapselung von Komponenten für intelligente Nutztier-Überwachungssysteme.

G7-Agrarministertreffen 2022 an der Universität Hohenheim: Bundes­landwirtschaftsminister Cem Özdemir wird ein Agrarroboter vorgeführt

Wenn es nach dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geht, entscheiden sich demnächst noch mehr Landwirte für Smart Farming. „Die Digitalisierung führt zu einem geringeren Einsatz von Dünger, Pflanzenschutzmitteln und Energie sowie Verbesserungen beim Tierwohl und der Biodiversität“, ist das Ministerium überzeugt, das deshalb ein Investitionsprogramm gestartet hat. Insgesamt 816 Millionen Euro stehen seit 2021 und bis 2024 dafür zur Verfügung. Ein besonderer Fokus liegt laut Bundesminister Özdemir auf dem Ökolandbau. Mit BMEL-Förderung werden beispielsweise Roboter entwickelt, „die Unkräuter mithilfe einer KI-gestützten Bilderkennung bekämpfen – und zwar rein mechanisch mit Hitze, Laser oder Strom“.

Gesetze, Datenübertragung, Energieversorgung – die Herausforderungen

Damit Smart Farming seine Stärken im Sinne einer optimalen Vernetzung von Daten und Maschinen flächendeckend ausspielen kann, sind noch einige Herausforderungen zu bewältigen. Neben gesetzlichen Vorgaben, die sich mitunter von Bundesland zu Bundesland unterscheiden, treiben Forschende vor allem technische Fragen um. Eine der wichtigsten ist die Rechenkraft von Computern und damit die Geschwindigkeit, in der sie Daten verarbeiten können: Um beispielsweise Pflanzenschutzmittel optimal auszubringen, muss die Maschine wissen, wo genau welches Unkraut wächst. Theoretisch erfasst eine Kamera vorne am Traktor die Situation, damit die Spritze hinten das passende Mittel richtig dosiert. In der Praxis aber werden die Bilder langsamer verarbeitet, als der Traktor fährt. Eine Lösung könnte eine vorausfliegende Drohne sein, die Bilder an den Traktor schickt, aber auch dann gilt: Je schneller der Bordcomputer solche Daten verarbeiten kann, desto nützlicher sind sie.

Neben dem neuen Mobilfunkstandard 5G, der etwa die Kommunikation zwischen Drohne und Traktor beschleunigt, setzt die Branche deshalb viel Hoffnung auf schnellere Computerchips. Dass hier noch riesige Leistungssprünge möglich sind, demonstrierte kürzlich der Quantenrechner eines Start-ups in Kanada: Dieser löste innerhalb von 36 Mikrosekunden eine hochkomplexe Aufgabe, für die der zweitstärkste konventionelle Superrechner der Welt rund 9.000 Jahre bräuchte.

Auch in puncto Energieversorgung gibt es noch Forschungs- und Entwicklungsbedarf: Die meisten landwirtschaftlichen Geräte sind mobile Systeme, die tendenziell schwerer und energiehungriger werden, je mehr smarte Technik sie an Bord haben. Ebenfalls schwierig mit Strom zu versorgen sind Sensoren an unzugänglichen Stellen, etwa wenn sie sich tief im Boden eines Feldes befinden.

Viele Themen also, an denen mit Hochdruck geforscht wird – aber auch vieles, was bereits erreicht wurde, um das Potenzial von Smart Farming zum Wohle der Umwelt, der Tiere und der Landwirte vollumfänglich zu nutzen. Profitieren könnten am Ende auch die Verbraucherinnen und Verbraucher: So wie die individualisierte Milch im noch fiktiven Stall der Zukunft, ist Individualisierung auch für andere Lebensmittel denkbar. Gemüse könnte man dann nicht mehr nur nach der Optik auswählen, erklärt Agrarwissenschaftler Bernhardt – sondern nach dem gewünschten Proteingehalt oder Schärfegrad.

Wevo-Lösungen – Smart-Farming-Technologien sicher schützen

Ob im Stall, am Tier oder auf dem Feld – Sensoren, RFID-Chips, Mikrofone oder Kameras in modernen Technologien für die Landwirtschaft müssen extremen Bedingungen standhalten. Individuell entwickelte Materialien von Wevo versiegeln die empfindliche Elektronik dauerhaft, minimieren das Eindringen von Feuchtigkeit und dämpfen und schützen optimal vor Vibrationen. Die sehr gute Haftung der Polyurethane auf den meisten Substraten gewährleistet zudem eine zuverlässige mechanische und strukturelle Integrität und verhindert vorzeitige Ausfälle durch Brüche oder längere Wassereinwirkung. Darüber hinaus können die Produkte hinsichtlich ihrer mechanischen Eigenschaften individuell angepasst werden, von weich bis hart. Dies ermöglicht den Einsatz als Verguss- oder Verkapselungsmaterial für unterschiedlichste Komponenten, darunter Bewegungssensoren, Antennen oder auch Batterien.
 

Pressemitteilung „Überwachung von Nutztieren: Wevo-Produkte schützen sensible Komponenten“

Hier können Sie das Wevo-Magazin bestellen


Dieser Artikel ist Teil der Ausgabe #01 des Wevo-Magazins SCIO. Sie haben Interesse an einem gedruckten Exemplar? Dann können Sie das Magazin gerne kostenfrei anfragen*. 

Zum Bestellformular 

* Bestellung ohne Gewähr an offiziell registrierte Unternehmen mit Branchenbezug in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Anfragen werden per E-Mail beantwortet.

Bildnachweise: Bild 1: Daniel Balakov (iStock.com), tostphoto (stock.adobe.com); Bild 2: Thomas Trutschel (photothek); Bild 3: Thomas Trutschel (photothek)

Haftungsausschluss (Auszug) – Urheber- und Leistungsschutzrechte: Die auf dieser Website veröffentlichten Inhalte unterliegen dem deutschen Urheber- und Leistungsschutzrecht. Jede vom deutschen Urheber- und Leistungsschutzrecht nicht zugelassene Verwertung bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Anbieters oder des jeweiligen Rechteinhabers. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigung, Bearbeitung, Übersetzung, Einspeicherung, Verarbeitung bzw. Wiedergabe von Inhalten in Datenbanken oder anderen elektronischen Medien und Systemen. Inhalte und Rechte Dritter sind dabei als solche gekennzeich­net. Die unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe einzelner Inhalte oder kompletter Seiten ist nicht gestattet und strafbar. Lediglich die Herstellung von Kopien und Downloads für den persönlichen, privaten und nicht kommerziellen Gebrauch ist erlaubt. Die Darstellung dieser Website in fremden Frames ist nur mit schriftlicher Erlaubnis zulässig. Jedes hier genannte Firmen- oder Markenzeichen ist Eigentum der jeweiligen Firma. Die Nennung von Marken und Namen geschieht zu rein informativen Zwecken. Den vollständigen Haftungsauschluss finden Sie im Impressum.